In unserer Reihe „Was ist eigentlich…“ erklären wir Methoden oder Artefakte aus dem klassischen Projektmanagement. In diesem Beitrag wollen wir euch gerne den Projektsteckbrief näher bringen. Dabei handelt es sich um ein Dokument, dass die wichtigsten Eckdaten des Projekts enthält. Kurzer Spoiler von mir: Ich halte den Projektsteckbrief für das am meisten unterschätzte Dokument im klassischen Projektmanagement! Doch fangen wir am Anfang an…

Im Kompetenzbasierten Projektmanagement (PM4) der GPM heißt es „Im Projektsteckbrief werden die wichtigsten Eckdaten eines Projekts in prägnanter Form, übersichtlich zusammengefasst. Er bietet schnelle Transparenz über die wichtigsten Informationen bezüglich eines Projekts.“ Außer der Bezeichnung „Projektsteckbrief“ kann man in den verschiedenen Organisationen auch über alternativen Namen, wie „Projektauftrag“, „Projectsummary“, „Projektdefinitionsblatt“ oder „Projektbeschreibung“ stolpern.

Zeitlich gesehen sollte der Projektsteckbrief am Ende der Definitionsphase fertig sein. Wobei auch hier gilt, dass das Dokument im Laufe des Projekts durchaus angepasst werden muss.
Initial erstellt werden sollte der Projektsteckbrief in meinen Augen wirklich als aller erstes, was überhaupt zu einem Projekt irgendwo erfasst wird. Im Zweifelsfall füllt man nur die Felder, zu denen man schon Informationen hat. Im Falle eines Dienstleisters sogar am Anfang der Aquise, wo es eigentlich noch gar kein Projekt gibt.

Form und Inhalt eines Projektsteckbriefs

Wir reden beim Projektsteckbrief über ein Dokument von 1 bis 2 Din A4 Seiten. Ob digital oder in Papierform kann man halten, wie man möchte. Es hat die Aufgabe alle wichtigen bzw. wesentlichen Inhalte des Projekts so aufzubereiten, dass ein Leser, ohne Vorkenntnisse im Projekt in der Lage ist, sich in kurzer Zeit einen Überblick zu verschaffen. Welche Informationen in der eigenen Organisation wichtig und wesentlich sind, muss zentral abgestimmt werden. Enthalten alle Steckbriefe die gleichen Daten, ist der Projektsteckbrief auch eine Entscheidungshilfe, wenn ein Projekt aus vielen ausgewählt werden muss und dafür die Projekte verglichen werden müssen.

Hat eine Organisation keinen Projektsteckbrief definiert, kann es vorkommen, dass Kommunikationspartner unterschiedliche Wissensstände zu einem Projekt haben und ggf. aneinander vorbei reden.

Mindestinformationen, die nach unserer Meinung enthalten sein sollten:

Name des Projekts bzw. Projekt-ID

Es muss möglich sein ein Projekt eindeutig zu identifizieren. Dazu reicht natürlich eine kryptische Nummer. Um aber Wiedererkennungswert zu erreichen, darf es auch ein kurzer Satz oder klangvoller Name sein.

Kurze Beschreibung

Hier geht es um ein klassisches Abstract in Form von 2 maximal 3 Sätzen, die das Projekt fachlich beschreiben.

Elementare Projektmitglieder

Hier geht es nicht darum in einem 50 Mann Projekt jeden Mitarbeiter aufzuführen. Sicher ist hier aber der (geplante) Projektleiter und die wichtigsten Wissensträger aufzulisten.

Welches Budget ist für das Projekt geplant

Da wir irgendwo zwischen Projektanbahnung und Ende der Definitionsphase stecken muss es hier keine fein geplante Summe aller Arbeitspakete sein, aber eine Grobe Abschätzung in welcher Größenordnung das Projektbudget liegen wird, sollte enthalten sein

Zeitlicher Bezug des Projekts

Ob man hier auf die Laufzeit, Start- und Endtermin oder eine beliebige Kombination dieser Informationen abzielt, ist Ansichtssache. Da aber die Ressource „Zeit“ mindestens so wichtig ist wie „Geld“ muss der Projektsteckbrief etwas zu den groben, zeitlichen Dimensionen enthalten. An dieser Stelle kann man auch eine kurze Liste der wichtigsten Meilensteine integrieren.

TOP Projektziele

Auch hier muss nicht die komplette Zielmatrix abgebildet sein, aber die wichtigsten Ziele, die das Projekt verfolgt, sollten repräsentiert sein. Die Zielerreichung bildet ja quasi den Nutzen, der den Kosten entgegen steht. Hier genügt eine einfache Aufzählung mit jeweils 2-3 Worten.

TOP Risiken im Projekt

Für Abwägungen und Entscheidungen ist natürlich auch immer wichtig zu wissen, welche Risiken im Projekt bestehen. Hier gilt natürlich das Gleiche wie bei den Zielen: nicht eine komplette Risikomatrix aber die, sagen wir, 3 Top Risiken sollten enthalten sein.

Auftraggeber des Projekts

Hier kann vom externen Kunden bis zur internen Fach- oder Forschungsabteilung alles stehen. Wichtig ist nur: Hinter jedem Projekt gibt es jemanden, der möchte, dass das Projekt durchgeführt wird und/ oder das Budget bereitstellt.

Das waren die in unseren Augen essentiellen Bestandteile eines Projektsteckbriefs. Die normalen Angaben aus dem Dokumentenmanagement (Datum, Version, Autor, …) müssen natürlich auch auf einem Projektsteckbrief zu finden sein.
Es spricht aber absolut nichts dagegen mehr als diese „must-have“s aufzunehmen! Man sollte nur bei aller Euphorie bedenken: je mehr Informationen man sonst noch im Projektsteckbrief versenkt, desto mehr Arbeit hat man im Laufe des Projekts diese Informationen aktuell zu halten.

Warum aber ist der Projektsteckbrief das am weitesten unterschätzte Dokument im klassischen Projektmanagement?

Die ersten Jahre meines Arbeitslebens habe ich bei einem großen, deutschen IT-Dienstleister verbracht. Unter anderem auch in der Rolle des Projektleiters. Dabei musste ich leider immer wieder folgende Situation erleben:

Der Vertrieb ruft völlig aufgeregt bei mir an, man hätte ein wahnsinnig großes, spannendes, innovatives, etc. Projekt an Land ziehen können und mich als Projektleiter dafür auserkoren. Quasi zeitgleich kommen die ersten Termineinladungen zu Kickoff, Kunde-Kennenlernen uvm.
Die nächsten 4 bis 6 Wochen habe ich dann immer damit verbracht zu verstehen worum es überhaupt geht und was der Vertrieb alles versprochen hat, um den Auftrag an Land zu ziehen. Irgendeine Art von Projektübergabe oder die Frage, ob ich die Verantwortung für das Projekt übernehmen wolle, erfolgte natürlich nicht.

Vielleicht stehe ich ja mit meiner Meinung auch alleine da, aber ich finde diese Art der Projektübergabe einfach unfair und auch extrem unprofessionell dem Projektleiter gegenüber. Wobei man sicher trefflich darüber streiten kann, ob es sich zu dem Zeitpunkt überhaupt um ein Projekt handelt. Ohne die wichtigsten Eckdaten und Rahmenbedingungen eines Projekts zu kennen kann ich als Projektleiter nicht entscheiden, ob ich mich dem Projekt gewachsen fühle.
Aus diesem Grund ist für mich der Projektsteckbrief das am weitesten unterschätzte Dokument des klassischen Projektmanagements. Symbolisch erfolgt mit der Übernahme des Projektsteckbriefs auch die Übernahme des Projekts durch den Projektleiter. Aus diesem Grund gehören bei mir auch zwei Unterschriftenfelder auf den Projektsteckbrief: Auftraggeber (Vorgesetzter oder Kunde) und Projektleiter.

Einen letzten, kleinen positiven Aspekt gibt es außerdem: Gibt es ein Template eines Projektsteckbriefs und die Ansage, dass damit das Projekt erst an den Projektleiter übergeben wird, motivieren wir den Vertrieb einen stimmigen Haufen Informationen zu übergeben. Und nicht diese Schnitzeljagd, die ich so oft erleben musste.