Es existieren 3 Organisationen, die eine Zertifizierung im Projektmanagement anbieten und sich zudem hinsichtlich Aufwand, Zielgruppe und Kernthemen stark unterscheiden: PMI, IPMA (GPM) und PRINCE2.

Der/ die angehende Projektleiter/ -in ist in den meisten Fällen zu unerfahren, um eine Entscheidung bezüglich der besten Projektmanagement Zertifizierung zu treffen, geschweige denn dies zu verargumentieren. Fakt ist, dass viele das machen, was von der Organisation (Firma) vorgegeben wird oder was andere Projektleiter im Bekanntenkreis gemacht haben. Schade ist dann nur, wenn sich hinterher herausstellt, dass es zu viel (nicht geschafft) oder zu wenig (nichts „wert“) Arbeit war oder der Fokus in einem Bereich liegt, in dem man sich demzufolge gar nicht entwickeln möchte. Da die verschiedenen Zertifizierungsstufen der Organisationen aufeinander aufbauen, ist ein späterer Wechsel zwar möglich, aber auch relativ aufwendig (und teuer!).

Aus diesem Grund möchte ich Euch in diesem Artikel die, nach meiner Erfahrung in Deutschland am verbreitetsten Organisationen, welche eine Zertifizierung im Projektmanagement anbieten, im Vergleich vorstellen. Diese sind erstens die PMI mit ihren verschiedenen Zertifikatsstufen und zweitens die IPMA/ GPM für die ich mich entschieden habe.
Ferner wird Prince2 hauptsächlich in Großbritannien genutzt und spielt in Deutschland keine große Rolle im Vergleich zu PMI und der IPMA.

IPMA®/GPM

Die GPM, als deutscher Ableger der IPMA, gibt es dieses Jahr (2019) seit 40 Jahren und bietet für alle Stufen des Projektmanagement ein Zertifikat an. Das wichtigste ist: die Zertifikatsstufen bauen dabei aufeinander auf und die ICB (International Competence Baseline) in der Version 4.0 als Grundlagenbuch genutzt. Dabei ist die ICB 4.0 vergleichbar mit dem PMBoK (siehe unten) von PMI und ist unterteilt in 3 große Themen-Blöcke. Diese sind:

  • Kontext-Kompetenzen (Perspective)
    Betrachtung des Projektumfelds bzgl. Strategie im Projekt und im Unternehmen: Compliance, Prozesse, Strukturen, Macht, Interesse, Kultur und Werte
  • Persönliche und soziale Kompetenzen (People)
    Softskills: Kommunikation, Engagement, Selbstreflexion, Integrität, Vielseitigkeit, Verhandlungen, Führung, Teamarbeit, Ergebnisorientierung (und noch einige mehr…)
  • Technische Kompetenzen (Practice)
    Methoden und Werkzeugkasten der Projektleitung das Arbeiten mit Anforderungen, Zielen, Risiken, Kosten, Controlling, Stakeholdern, Beschaffung, Organisation (und noch einigen mehr…)

Die verschiedenen Themen in den Blöcken (z.B. „Persönliche Kommunikation“ im Thema „Persönliche und soziale Kompetenzen“) entsprechen dabei jeweils einem „Kompetenzelement“ (abgekürzt: CE – Competence Element). Diese Kompetenzelemente können wiederum an Hand von definierten „Kompetenzindikatoren“ (abgekürzt: KCI – Key Competence Indicator), also „was“ muss „wie“ gemacht werden, gezeigt/ nachgewiesen werden. Je nachdem welche Zertifikatsstufe man ablegen möchte, muss ein Kompetenzelement unterschiedlich tief durchdrungen werden.
Zudem nutzt die GPM die 6 Bloomstufen ( Wikipedia: Klassifikation von Bildungszielen) für die Durchdringung eines CEs, quasi als angestrebtes Lernziel:

  • Bloomstufe 1 – Wissen
    angeben, aufzählen, benennen, vervollständigen, wiedergeben, bezeichnen
  • Bloomstufe 2 – Verstehen
    begründen, einordnen, ordnen, vergleichen, beschreiben
  • Bloomstufe 3 – Anwenden
    aufstellen, ausführen, berechnen, bestimmen, unterscheiden
  • Bloomstufe 4 – Analyse
    ableiten, analysieren, gegenüberstellen, gliedern, klassifizieren, zerlegen, zuordnen
  • Bloomstufe 5 – Synthese
    abfassen, aufbauen, entwerfen, entwickeln, organisieren
  • Bloomstufe 6 – Beurteilung
    auswerten, beurteilen, bewerten, entscheiden, vereinfachen

Seit der ICB 4.0 beschäftigt sich die GPM auch in den Ansätzen mit agilen Konzepten. Der Fokus des Themenblocks „Technische Kompetenzen“(Methodik & Werkzeugkasten) liegt aber immer noch eher auf klassischen Projekten.

PMI

Die PMI gibt es mittlerweile seit 50 Jahren (Stand 2019) und hat ihren Ursprung in den USA und es gibt weltweite Ableger, sogenannte Chapters. Das erklärt, warum die PMI im professionellen Umfeld selbst in kleinen Ländern bekannt ist. Das Standardwerk der PMI, das PMBoK (Project Management Body of Knowledge) gibt es derzeit in der 6. Edition und ist ein weltweit bekanntes Standardwerk im Projektmanagement. Es beschreibt alle Prozessschritte des Projektmanagement und die dazugehörigen Methoden. Insgesamt fokussiert sich die PMI eher auf Methoden und Werkzeuge, so dass Softskills nur am Rande thematisiert werden und keine große Rolle spielen. Agile Methoden werden ebenfalls behandelt und sind im PMBoK, sowie anderen Publikationen der PMI, enthalten.

Der PMP ist die Standardzertifizierung der PMI und die am weitesten verbreitete Zertifizierung. Sie befähigt dazu Projekte unter Aufsicht und unter Betrachtung aller Aspekte des Projektmanagements zu führen. Es wird genug Wissen vermittelt, um Teams unter der Restriktion von Qualität, Zeit und Kosten zu führen und Projekte mit „sinnvoll“ beschriebenen Anforderungen, Zielen und Lieferartefakten zu bewältigen.

Durch die Internationale Verbreitung wird PMI vermehrt in internationalen Konzernen eingesetzt.

Zahlen Daten Fakten zu PMI® und IPMA®

  PMI® IPMA®/GPM
Verbreitung Fast Weltweit, vorrangig in den USA Besonders in Europa
Zertifizierungslevel
(von oben nach unten aufbauend)
Basiszertifikat
CAPM– Certified Associate in Project Management Level D – Certified Project Management Associate
PMP – Project Managament Professional Level C – Certified Project Manager
Level B – Certified Senior Project Manager
PgMP – Program Management Professional
Level A – Certified Project Director
Wie viele Zertifikate wurden in Deutschland bisher vergeben? CAPM – 1.030 Basiszertifikat – 23.400
PMP – 15.000 Level D – 43.100
PgMP – 32 Level C – 7.000
Level B – 2.150
Level A – 120
Zulassungsvoraus-
setzungen
CAPM – Schulabschluss, 23h Lehrgang Basisizertifikat – keine
PMP – Schulabschluss, 7.500h Projektmanagementerfahrung, 35h Lehrgang Level D – keine
PgMP – Schulabschluss, 6.000h Projectmanagementerfahrung (ca. 1/2 Arbeitsjahr), 6.000-10.000h Programmmanagementerfahrung Level C – 3 Jahre als Teilprojektleiter in komplexen Projekten oder 3 Jahre als Projektleiter in moderat komplexen Projekten
evel B – 5 Jahre als Projektleiter, davon 3 Jahre in komplexen Projekten
Level A -5 Jahre als Projektleiter von hochkomplexen Projekten, davon 3 Jahre auf strategischer Ebene
Prüfungsleistung CAPM – 3h für Multiple Choice Test Basiszertifikat – schriftl. Prüfung (Freitext) von 90 Min.
MP – 4h Multiple Choice Test Level D – Projekterfahrungsbericht + 90 Min. schriftl. Prüfung (Freitext)
ODER
180 Min. schriftl. Prüfung (Freitext)
PgMP – 4h Multiple Choice Level C – Projekterfahrungsbericht, 2h schriftl. Prüfung (Freitext), 8h Workshop, 60 Min. Interview
Level B – Projekterfahrungsbericht, 3h schriftl. Prüfung (Freitext), 8h Workshop, 90 Min. Interview
Level A – Projekterfahrungsbericht, 120 Min. Interview
Schwerpunkt Prozessorientiert. Methodenwissen. Kompentenzorientiert. Ganzheitliche Qualifikation (Methoden und Soft Skills)

Weitere Möglichkeiten

Der aufmerksame Leser wird sich nun sicher die Frage stellen, „sind das wirklich alle Möglichkeiten eine Zertifizierung im Projektmanagement zu erwerben“?

aSQF® bietet ebenfalls ein Zertifikat zum Thema Projektmanagement (CPPM) an. Es besteht aus einem 4-tägigen Kurs und einer Prüfung. Mehr als ein Einstieg in die Thematik kann dies allerdings nicht sein. Dazu beschränkt es sich auf die Software-Entwicklung und ist somit nicht, wie PMI und IPMA (und auch Prince2) branchenübergreifend.

Fazit

Das Fazit ist, dass es keine einfache Entscheidung ist, welche Zertifizierung man wählt und ich kenne Personen die, weil sie sich nicht entscheiden konnten, sowohl den PMP (PMI) als auch ein Level C (IPMA) gemacht haben. Für mich war die Entscheidung einfach, ich finde die Zertifizierung der GPM aussagekräftiger, da sie nicht reines Wissen abfragt, sondern man auch praktisch beweisen muss, dass man Projektmanagement beherrscht (lies hier unseren Erfahrungsbericht zur Projektmanagement Zertifizierung IPMA Level B) . Außerdem denke ich, dass die breite Aufstellung der GPM, über die reine Methodik hinaus, ein wichtiger Aspekt für die erfolgreiche Leitung von Projekten darstellt.

Ein weiteres Kriterium sollte natürlich sein, wo und welche Art von Projekten man durchführen will in Zukunft. Sollten es also hauptsächlich Projekte im außereuropäischen Ausland sein, wird eine Zertifizierung nach PMI sinnvoller sein. Wenn man allerdings hauptsächlich in Europa arbeitet, ist die GPM Zertifizierung wiederum weiter verbreitet.

Und zuletzt, hängt es natürlich auch davon ab, was in der eigenen Organisation (Firma) üblich ist. Weniger, weil man sich blind danach richten sollte, aber es macht durchaus Sinn, dass man mit den Kollegen (und Kunden) ein gemeinsame Sprache in der täglichen Arbeit spricht. Denn Unterschiede hinsichtlich Benennung und Details findet man leider zwischen IPMA und PMI häufiger.

Was sind eure Erfahrungen? Für welche der Zertifizierungen habt ihr euch entschieden oder würdet ihr euch entscheiden?