Alle Projekt haben wohl eine Gemeinsamkeit: Sie haben alle einen Projektleiter. Und es ist kein Geheimnis, dass es unterschiedliche Führungsstile gibt. Nach Kurt Lewin sind es drei zu unterscheidende Stile:

  • Autoritär
  • Demokratisch
  • Laissez-faire

Aber reicht das wirklich? Und lassen sich Projektleiter so einfach in ihrer Art das Projekt zu führen kategorisieren oder stecken in jedem Projektleiter mehr oder weniger alle drei unterschiedlichen Stile je nach Situation?

Unterscheidung der Führungsstile

Autoritäre Anteile lassen sich leicht erkennen. Diese Kategorie Projektleiter sind keine Sympathieträger und bis auf das Management mag sie auch keiner. Doch wenn ein Projekt wirklich in Zeitnot oder in Schieflage gerät, dann werden sie gerufen und zwar sofort und dringend. Sie haben vor allem ihre Daseinsberechtigung in einem hierarchisch organisierten Projektmanagement-Ökosystem, verlieren aber gerade in agilen und selbstbestimmten Umgebungen an Bedeutung. Teilweise werden sie sogar als Projekthindernisse gesehen. Demokratische und Laissez-faire Projektleiter sind da nicht so einfach auseinander zu halten, denn die Spanne in diesen Bereichen ist sehr groß und die Grenzen fließend.

Ich habe schon viele Projektleiter bei der Arbeit gesehen und beobachtet und so für mich selber Schubladen erschaffen, die jeweils eine Kombination der verschiedene Stile darstellen, um Projektleiter darin einfacher unterzubringen. Doch warum macht es überhaupt Sinn, sich Gedanken zu machen, welchen Typ Projektleiter man gerade vor sich hat? Ganz einfach: Der Alltag im Projekt wird bestimmt durch Kommunikation. Und „Schubladen“ helfen, sich schnell in den Gesprächspartner hineinzuversetzen, um das Anreizsystem des Gegenübers zu bedienen und damit schneller zu einem Ergebnis zu kommen.

Hier meine Schubladen:

Der „Chef“ und wie man ihn erkennt…

Der Chef ist der Meinung, dass das Projekt ihm gehört, alle Beteiligten seine Angestellten und ihm untergeben sind. Er entscheidet gerne und oft. Manchmal auch etwas zu oft und vor allem über den Rat und die Köpfe der Experten hinweg. Der Chef ist in den meisten Fällen nur Projektleiter geworden, weil man dann auch endlich mal etwas zu sagen hat und dem angeborenen Gefühl für etwas höheres bestimmt zu sein, folgen kann. Dem Chef ist normalerweise jedes Mittel recht, um auf der Karriereleiter noch etwas höher zu steigen. Sollte im Projekt etwas schief gehen, sieht man leider oft, dass der Chef sich windet, um keine Verantwortung übernehmen zu müssen.

Wie geht man mit einem „Chef“ richtig um?

  • Es ist wichtig, dass der Chef die Möglichkeit bekommt, sich in den Ergebnissen wiederzufinden. Am Besten führt man das Gespräch so, dass er selbst die Schlüsse zieht und den Eindruck gewinnt, dass es seine Idee gewesen ist.
  • Außerdem ist es wichtig keine Formulierungen zu verwenden, die Gesprächsblockaden (das Vermischen von Beobachtung und Beurteilung) erzeugen, da der Chef gerne die Konfrontation sucht und dabei in einen nicht mehr kooperativen Modus wechselt, der Kompromisse verhindert.
  • Hilfreich ist es in der „ich“-Form zu argumentieren und vom „du“ Abstand zu nehmen. Besser: „Ich würde eher für XYZ plädieren.“ als „Deine Entscheidung für ABC ist falsch.“.

Die „Rampensau“ und wie man sie erkennt…

Das natürliche Habitat der Rampensau ist immer da, wo eine Menschengruppe zusammenkommt. Je einflussreicher und mehr, desto besser. Die Rampensau spielt sich gerne in den Vordergrund oder übernimmt Gespräche, ja sogar ganze Meetings für die eigene Agenda. Man kann einer Rampensau oft nicht böse sein, denn es ist meistens sehr unterhaltsam, wenn eine Rampensau loslegt. Die Rampensau ist meist eloquent und sehr kommunikativ (redet gern und viel). Von Still- / Fleißarbeit wie Controlling oder Pläne machen hält die Rampensau eher wenig und macht sie meist nur ungern. Sie leitet die Projekte eher, indem sie erst gar keinen Zweifel daran aufkommen lässt, etwas nicht im Griff zu haben oder dass das Projekt nicht läuft. Außerdem hat die Rampensau ein Talent für das Zünden von Nebelkerzen, um vom eigentlichen Problem abzulenken.

Wie geht man mit einer „Rampensau“ richtig um?

  • Die Rampensau hat meistens weniger Interesse daran einen Kompromiss zu gestalten, sondern viel mehr diesen vor dem restlichen Umfeld vorstellen zu dürfen. Daher ist es hilfreich, dies möglichst am Anfang in Aussicht zu stellen. Das motiviert sie für einen schnellen Kompromiss, denn Vorfreude ist ja die schönste Freude…
  • Die Rampensau befindet sich ständig auf der Suche nach einem Grund, auf die Bühne zu treten. Trotzdem möchte sie sich natürlich nicht als Befehlsempfänger instrumentalisieren lassen. Das kann man für sich nutzen, indem man Formulierungen nach dem Mustern „jemand müsste mal“ nutzt und so für Inspiration sorgt.
  • Ist man auf die Ergebnisse der Rampensau angebwiesen und die beiden oberen Punkte haben nicht geholfen,  kann man versuchen die Rampensau in den Griff zu bekommen, indem man auf Methonden des klassischen Projektmanagement besteht (Pläne, Protokolle, Berichte), denn auch hier gilt: wer schreibt, der bleibt!

Der „Kontrollfreak“ und wie man ihn erkennt…

Der Kontrollfreak stellt den einsamen Wolf unter den Projektleitern dar. Er pflegt lieber seine Dokumente und Systeme, als an Meetings teilzunehmen. In der Welt der Kennzahlen und Pläne fühlt er sich besonders wohl und führt ein Projekt nicht mit politischen Ränkespielen oder mit der Macht der Motivation zum Erfolg, sondern vielmehr mit Statusberichten, Abbaukurven und Meilensteinplänen. Fachlich ist an Kontrollfreaks oft wenig auszusetzen und wenn es um Excel oder MS Project geht, vollbringt er wahre Wunder… Leider ist er oft nicht sehr kommunikativ und verzichten auf die Stärken, als echtes Team zu arbeiten.

Wie geht man mit einem „Kontrollfreak“ richtig um?

  • Der Kontrollfreak ist im wahrsten Sinne ein planbares Exemplar eines Projektleiters. Hier ist es wichtig, methodisch sauber zu arbeiten, den Formalismen gerecht zu werden und vor allem wirklich ALLES zu dokumentieren!
  • Alles, was es in einen Plan, Report oder Protokoll schafft, wird von einem Kontrollfreak anerkannt und auch berücksichtigt.
  • Den Kontrollfreak erreicht man eher über nüchterne Fakten, anstatt über Leidenschaft und Aktionismus.

Der „Kümmerer“ und wie man ihn erkennt…

Der Kümmerer zeichnet sich meistens dadurch aus, dass er vor kurzem noch ein sehr guter Entwickler/ Anforderungsmanager o.ä. war und nun Karriere machen muss (wie schon in unserem Artikel „Projektleiter ist (k)ein Karriereschritt“ beschrieben). Kümmerer wissen nicht genau was sie eigentlich den ganzen Tag tun, aber sie machen es mit anfänglicher Begeisterung. Zeitpläne werden meist aus dem Bauch heraus beschlossen (anstatt entwickelt) und auch wirklich nur, wenn jemand danach fragt. Wohlwollend könnte man ihn einen „reaktiven Projektleiter“ nennen, der wie ein angefahrenes Reh auf externe Impulse reagiert, ohne jemals selbst die Kontrolle zu haben. Gerade wenn das Projekt in Schieflage kommt, sieht man den Kümmerer eher gestresst durch die Gänge laufen, denn sein Latein (Methodenkompetenz) war am Ende, bevor es richtig angefangen hat.

Wie geht man mit einem „Kümmerer“ richtig um?

  • Der Kümmerer weiß oft noch nichts von der Politik in Projekten und tut, was er tut aus Überzeugung. Er ist auf offenes Feedback angewiesen und nimmt es immer wohlwollend auf. Auch kann er am Meisten von der Erfahrung anderer Projektleiter profitieren.
  • Es ist wichtig, dem Kümmerer nicht einfach nur Anweisungen zu geben, sondern die geplanten Aktionen zu begründen und dabei den Nutzen, den man als Projektleiter von der Maßnahme hat, nicht zu verschweigen.
  • Wichtig ist hier die richtige Balance aus Anleitung und Kooperation zu finden, um kein Gefühl von „über/unter“ zu vermitteln. Immerhin hat man hier die Möglichkeit mit einem gleichberechtigten Kollegen auf Augenhöhe zu sprechen und dabei sogar ein gemeinsames Verständnis zu bilden.

Die „Mutti“ und wie man sie erkennt…

Alle von uns kennen den Vorteil von Mutti, denn wir alle haben mindestens eine. Als Projektleiter ist sie aufopferungsvoll darum bemüht, dass es ihrer Herde gut geht. Markenzeichen einer Mutti ist, dass sie mehrfach nach dem Wohlergehen eines ihrer Schafe fragt und auch wirklich daran interessiert ist, wie es ihm geht. Die Mutti nimmt sich, auch wenn es Überstunden nach sich zieht, immer Zeit, wenn jemand sie um ein persönliches Gespräch bittet. Wenn es mal Probleme gibt, wird die Mutti aber auch schnell zur Löwin die sich vor ihr Projektteam stellt und die Schuld lieber auf sich nimmt, als etwas auf ihr Team kommen zu lassen. Wenn man der Mutti etwas vorwerfen mag, dann ist es der fehlende, konstruktive Abstand, der nötig ist, um eine Retrospektive der eigenen Teamleistung zuzulassen.

Wie geht man mit der „Mutti“ richtig um?

  • Wie bereits weiter oben erwähnt, steht das Team im Zentrum des Interesses der Mutti. Aus diesem Grund ist es wichtig, vor dem Gespräch die Auswirkungen von Änderungen auf ihr Team zu durchdenken und entsprechend zu argumentieren.
  • Generell macht es Sinn auch bei Änderungen, die das Team nicht direkt betreffen über Argumente nachzudenken, die sich positiv auf das Team auswirken und mit in die Argumentation einfließen zu lassen.
  • Als letzten Punkt kann man darüber nachdenken, das Team der Mutti aktiver in die Kommunikation und Entscheidungsprozesse mit einzubeziehen, denn die Stimme des Teams hat nirgends mehr Gewicht, als bei der Mutti.

Der „Unsichere“ und wie man ihn erkennt…

Der Unsichere weiß eigentlich selber nicht, wieso er Projektleiter geworden ist. Er hat das Gefühl, dass er da nur durch glückliche oder vielleicht auch unglückliche Fügung hingekommen ist. Seine Schwäche ist seine Unsicherheit und der wichtigste Wunsch, nichts falsch machen zu wollen. Das führt dazu, dass er Entscheidungen so lange vor sich her trägt bis sie nicht mehr aufzuschieben sind und dann nicht immer die Entscheidung trifft, die für das Projekt am besten ist, sondern die „moralisch“ einwandfreie Entscheidung, für die er sich nicht rechtfertigen muss. Der Spruch „das wurde schon immer so gemacht“ ist sein bester Freund und er trägt ihn wie einen Schild vor sich her. Neuen Dingen steht er skeptisch gegenüber und er versucht erst sich überall rückzuversichern, bis er den Schritt zu etwas Neuem wagt.

Wie geht man mit dem „Unsicheren“ richtig um?

  • Der Unsichere wird geleitet durch die Angst, Entscheidungen zu treffen und diese alleine verantworten zu müssen. Aus diesem Grund muss hier auf eine „wir“-Formulierung geachtet werden, auch wenn man selbst den geringeren Anteil an einer Maßnahme hat. „Was hältst Du davon, wir ändern bei Deinem Team die Sprintlänge mal auf 3 Wochen!?“
  • Hat man einen Änderungswunsch, bei dem die „wir“-Formulierung nicht zieht, kann man versuchen Referenzen zu nennen, die die gleiche oder eine ähnliche Entscheidung auch getroffen haben. „Dein Team sollte auf 3-Wochen-Sprints wechseln… das hat bei XYZ auch die Velocity in Summe erhöht.“

Der „Agile“ und wie man ihn erkennt…

Am einfachsten identifiziert man einen Agilen, indem man ihn als „Projektleiter“ bezeichnet, was in der Welt des Agilen eine ernste Beleidigung darstellt! Im hippen, agilen Umfeld gibt es sowas f wie einen Projektleiter nämlich nicht. Es gibt niemanden, der (mutmaßlich) über die Köpfe der anderen hinweg bestimmt, was als nächstes gemacht wird. Wenn etwas nicht so läuft wie geplant (Welcher Plan überhaupt?!) dann liegt es nur daran, dass nicht alle Informationen vorlagen 😉 Ein weiterer Vorteil, wenn man agil unterwegs ist, man muss sich nicht mit so eingestaubten Methode wie Risikoanalysen oder Projektplänen beschäftigen. Das wird alles auf dem Weg gelöst und besprochen.

Wie geht man mit dem „Agilen“ richtig um?

  • Ja, man wird einen Agilen nur schwer davon überzeugen können, klassische Projektmanagement-Methoden und deren Artefakte zu leben… aber ausgehend vom Ziel liegt man bei Weitem nicht so weit auseinander, wie es auf einen klassichen Projektmanager oft wirkt. Es ist eher ein Wording-Problem und nicht der Inhalt.
  • Aus diesem Grund muss man sich die Mühe machen und agile Werte, Prinzipien und vor allem die Rollen zu verstehen. Anschließend kann man fast alle klassischen PM-Probleme in diese Welt überführen und entsprechend diskutieren.
  • Ein weiterer, wichtiger Aspekt des Agilen ist, dass er stets vorwärts gerichtet ist. Es macht also wenig bis keinen Sinn, über Sachverhalte außerhalb einer Retrospektive zu diskutieren, die länger als einen Sprint zurück liegen. Zielführender ist es an dieser Stelle, die Vergangenheit als gegeben zu betrachten und sofort mit Maßnahmen für die Zukunft zu beginnen. In der nächsten Retrospektive kann man dann eventuell mit dem Team Techniken entwickeln, wie man nicht noch einmal in das dann gelöste Problem laufen wird.

Der „Helikopter“ und wie man ihn erkennt…

Vielleicht ist der Ausdruck „Helikopter-Eltern“ ein Begriff?! Die wohl schrecklichste Art von Eltern, die sich niemand wünscht. So schlimm ist der Helikopter-Projektleiter aber nicht. Die meiste Zeit des Tages sieht man ihn eigentlich nicht, da er sich in seiner eigenen Welt aufhält und wer weiß was tut. Irgendwann aber wacht der Helikopter aus seinem tranceartigen Zustand auf und sucht gefühlt nach einer Aufgabe. Dieses „Erwachen“ ist selten von außen getriggert, sondern entspringt dem inneren Antrieb des Helikopters. Wenn in seinem Projekt aber leider gerade alles nach Plan läuft und nichts zu managen ist, wird eben selbst Hand angelegt und irgendwo eine Baustelle aufgerissen oder etwas angezündet, das er dann wieder löschen kann. Für Projektmitarbeiter, die mit einem Helikopter noch nicht umzugehen wissen, löst so etwas starken Stress aus. Anschließend verschwindet der Helikopter mit dem guten Gefühl, seinen Beitrag geleistet zu haben und das gerade noch im Mittelpunkt stehende Problem verschwindet auf Nimmerwiedersehen.

Wie geht man mit dem „Helikopter“ richtig um?

  • Eigentlich gibt es nur eine Herausforderung beim Helikopter: man muss unterscheiden, ob es sich um ein echtes oder ein konstruiertes Problem handelt, das er an uns heranträgt. Bei Dingen, die nicht kriegsentscheidend sind, hat sich bewährt, den Punkt zwar aufzunehmen, aber erst anzugehen, wenn er ein zweites Mal mit dem gleichen Problem aufschlägt. War es ein konstruiertes Problem, verschwindet es normalerweise von allein. Echte Probleme leider nicht.

Die gerade vorgestellten Stereotypen sind natürlich auch wieder nur Facetten, die mehr oder weniger stark bei uns allen zu finden sind. Trotzdem helfen mir die beschriebenen Tipps das Gegenüber in einem bestimmten Modus „besser“ handhaben zu können.

Sind euch noch weitere Schubladen im Projektalltag begegnet, mit denen man besonders umgehen kann/ sollte? Dann wäre es klasse, wenn ihr mir diese schicken würdet und ich sie in dieser Übersicht ergänzen kann. Ansonsten interessiert mich natürlich auch Feedback, ob ihr die Tipps im Projekt anwenden konntet!