Prüfungstage für die Zertifizierung IPMA Level B
Dieser Erfahrungsbericht ist ein Mehrteiler und behandelt die Prüfungstage für die Zertifizierung zum Certified Senior Project Manager der IPMA Level B nach ICB 4.0. Eine generelle Einführung in die Serie und Links zu allen Teilen findet ihr in diesem Blogbeitrag: Erfahrungsbericht: Zertifizierung zum Certified Senior Project Manager (IPMA® Level B) nach ICB 4
Die letzte Hürde zum Erreichen eines Level B-Zertifikats, ist das Bestehen der Prüfungstage. Es sind drei an der Zahl und, aus eigener Erfahrung, die reinste Achterbahnfahrt der Gefühle. Nach dem ersten Tag waren wir uns nicht sicher, ob wir zum zweiten Tag überhaupt noch erscheinen wollten. Nach Aussage unseres Schulungsanbieters, scheint das aber normal zu sein und dazu zu gehören.
Also wie gesagt, die Prüfungen erstrecken sich über drei Tage. Am ersten Tag findet die schriftliche Prüfung und der erste Teil des Workshops statt. Der zweite Tag besteht aus dem zweiten Teil des Workshops und den ersten Interviews. Am letzten Tag finden die restlichen Interviews der Teilnehmer statt, die nicht schon am zweiten Tag ihr Interview hatten. Die Inhalte und Erfahrungen zu den einzelnen Prüfungsleistungen werden im Folge dieses Artikels genauer beschrieben.
Kurzer Hinweis: wenn man es geschickt anstellt, kann man mit zwei Prüfungstagen auskommt, indem man das Interview am Ende des zweiten Tages durchführt. Ob das empfehlenswert oder hilfreich ist, richtet sich danach, wie fit man sich fühlt. Wie lange die einzelnen Etappen dauern hängt natürlich stark von den Prüfern ab. Unser Trainer hat schon vor den Prüfungstagen einen grober Ablauf verteilt, mit dem Hinweis, dass die Assesoren ggf. Anpassungen vornehmen werden.
Die wichtigste Frage lautet immer: „Was muss ich leisten, um zu bestehen?“ Die erste Hürde und somit die erste Prüfungsleistung ist, den Report zu bestehen. Wie man das am besten schafft ist in unserem Beitrag „Report für die IPMA Level B- Zertifizierung nach ICB 4.0“ beschrieben.
Exkurs: CE, KCI und Bloom-Stufen
Um genau beschreiben zu können, was an Prüfungsleistungen zu erbringen ist, hier nochmal ein kleiner Exkurs zu CE, KCI und Bloom-Stufen:
- Kompetenzelement (abgekürzt CE – Competence Element): Themenblock z. B. „Persönliche Kommunikation“ im Thema „Persönliche und soziale Kompetenzen“
- Kompetenzindikator (abgekürzt KCI – Key Competence Indicator): Definiert wie ein CE umgesetzt / nachgewiesen werden kann, also „was“ muss „wie“ gemacht werden. Ein CE hat dabei mehrere KCIs.
- Bloom-Stufen: Taxonomie, um die Stufe des Wissens für ein KCI und CE zu definieren. Eine genauere Beschreibung der Bloom-Stufen haben wir in unserem Beitrag „Welche Zertifizierung im Projektmanagement kann/sollte ich machen?“ beschrieben.
Grundsätzlich geht es darum, mit den einzelnen Prüfungsleistungen CEs zu bestehen. Um ein CE zu bestehen, muss man mindestens 50 % der KCIs innerhalb dieses CEs auf der erforderten Bloom-Stufe bestehen.
Beispiel: Das CE 4.3.4 „Macht und Interesse“ ist unterteilt in drei KCIs (4.3.4.1 – 4.3.4.3). Um dieses CE also zu bestehen, muss man zwei der drei KCIs auf Bloom-Stufe 5 „Synthese“ bestehen.
Während der Prüfungstage für die Zertifizierung IPMA Level B und auch währenddessen bekommt man keinerlei Informationen, welche CEs oder KCIs man bestanden hat. Auf Nachfrage teilen die Assessoren allerdings mit wie viele CEs bisher erfüllt sind.
Nach dem kleinen Exkurs jetzt wieder zurück zu den Prüfungsleitungen an den Prüfungstagen.
Schriftliche Prüfung
Die schriftliche Prüfung ist die erste Prüfungsleistung am ersten der Prüfungstage für die Zertifizierung IPMA Level B. Sie ist vom Ablauf her nicht anders, als jede Prüfung in der Schule oder im Studium. Es sind Stifte und ein nicht programmierbarer Taschenrechner zugelassen. Die Prüfung dauert drei Stunden und nur einer der Assessoren war anwesend.
Um diese Prüfungsleistung zu bestehen muss man 50 % der darin behandelten KCIs bestehen. Um es einfacher auszudrücken: man muss 50 % der Fragen richtig beantworten, da jede Frage genau einem KCI entspricht.
In unserer Vorbereitung konnten wir mit einer Übungsklausur trainieren. Diese war sehr ähnlich zu der wirklichen Prüfung. Die Übungsklausur wurde nach der simulierten Prüfung wieder eingesammelt. Kopien waren nicht erlaubt! Sie bestand aus 25 Freitext-Fragen, also keine Multiple Choice-Fragen. Dabei sind es meistens Transfer-Fragen und weniger Wissensfragen. Fragen können zum Beispiel sein „Kann ein Projekt erfolgreich sein, wenn der Projektleiter oder das Projektteam unerfahren ist?“ oder auch „Was versteht man unter der Columbo-Technik?“.
Bei manchen Fragen ist der verfügbare Platz für die Antwort etwas eng bemessen. Da die Seiten doppelseitig bedruckt sind und man kein Extra-Papier bekommt, sind die Antworten dem Platz anzupassen. Also vorher ein paar Sekunden darüber nachdenken, was und wieviel man als Antwort schreibt. Zumindest in unserer Prüfung gab es keine Frage, zu der man etwas skizzieren (z. B. Stakeholdertabelle) musste.
Ein weiteres, total übersehenes Problem für uns war, dass wir gar nicht mehr gewohnt waren, so viel in so kurzer Zeit per Hand zu schreiben! Wir hatten zum Ende der Prüfung tatsächlich Krämpfe in der Hand. Sicher auch ein Grund, warum die Antworten zum Ende der Prüfung deutlich knapper und kürzer ausfielen.
Workshop Teil 1
Für den Workshop suchen sich die Assessoren ein Fallbeispiel aus, welches im Folgenden bearbeitet wird. Laut Aussage unseres Assessors wird das Fallbeispiel so ausgesucht, dass möglichst kein Zertifikant fachliches Wissen aus seinem Arbeitsalltag verwenden kann. Da wir eine Gruppe aus der Branche Automotive und Versicherungen waren, hatten wir die Fallstudie zum Bau eines Offshore Windkraftanlagenparks in der Nordsee.
Ist die Teilnehmerzahl groß genug, wird die Gruppe in zwei Teams eingeteilt. Entweder durch die Assessoren oder Selbstorganisiert. Es ist auf alle Fälle eine gute Idee, wenn sich mögliche Teams schon vor den Prüfungstagen zusammenfinden, für den Fall, dass die Teamwahl den Prüflingen überlassen wird. So können unterschiedliche Kompetenzschwerpunkte und der nicht zu unterschätzende Sympathiefaktor berücksichtigt werden.
Die Zertifikanten für Level B werden auf die Gruppen aufgeteilt. Sie übernehmen Rolle der Projektleitung im Fallbeispiel. Die Level C-Zertifikanten zeigen als Projektmitarbeiter, dass sie die Methoden des klassischen Projektmanagements beherrschen.
Ablauf Workshop Teil 1
Als reine Artefakte mussten bei uns ein Big Picture, eine Balanced Scorecard, ein Projektstrukturplan, eine Stakeholderanalyse und ein Phasenplan erstellt werden. Dafür bekommen die Zertifikanten für Level B und Level C unterschiedliche Aufgabenzettel. Wirklich, wirklich wichtig ist hier, die Aufgaben genau zu lesen! Ich kann diesen Punkt nicht genug hervorheben, da wir hier massiv schlechtes Feedback von den Assessoren bekommen haben. Die Aufgabenstellungen für Level B beziehen sich meistens, darauf, Ansätze gegeneinander abzuwägen, zu analysieren, zu bewerten und eine Entscheidung zu treffen. Diese Aufgabe muss auch nachvollziehbar und dokumentiert werden.
Zusätzlich ist es die Aufgabe der Level B-Zertifikanten, das Mini-Projekt „Workshop Teil 1“ zu planen und zu verfolgen. Wir hatten zuvor die Absprache im Team getroffen, dass keine agilen Methoden genutzt werden. Und uns für eine einfache Liste der Artefakte entschieden, in der wir die geschätzte Zeit, die Bearbeiter und hinterher auch die Referenz auf das erzeugte Flipchart/Artefakt vermerkt haben. Von den Assessoren bekamen wir das Feedback, dass dies nicht transparent genug wäre, und sie sich ein Kanban-Board gewünscht hätten.
Zusätzlich obliegt es den Level B-Zertifikanten, Rollen zu verteilen. Benötigte Rollen sind auf jeden Fall: ein Zeitnehmer, der im Auge behält, wie viel Zeit noch bleibt, und ein Qualitätssicherer, der Qualitätskriterien aufstellt. (Beispiel: Auf jedem Flipchart müssen die Namen der Bearbeiter, Version des Dokuments, der Name des Artefakts usw. an der gleichen Stelle stehen). Wichtig ist auch das Aufstellen und Dokumentieren von Teamregeln. (Beispiel: Wir duzen uns. Feedbackregeln werden eingehalten. Der Projektleiter hat das letzte Wort.) Dies sind alles Aufgaben, die nicht explizit auf dem Aufgabenzettel stehen, aber erwartet werden.
Beispiel
Bei uns war die Aufgabe, den Strukturierungsansatz für den Projektstrukturplan festzulegen. Aus der Erfahrung und der Aufgabe lag ein gemischt-orientierten Projektstrukturplan nahe. Bemängelt und eingefordert wurde, dass diese Entscheidung hergeleitet und begründet ist. Also auf ein Flipchart die einzelnen Strukturierungsansätze aufschreiben, mit Vor- und Nachteilen bewerten und die Entscheidung mit Begründung dokumentieren. Den eigentlichen Projektstrukturplan erstellen dann die Level C-Zertifikanten. Das Ergebnis wiederum sollte dann von den Level B-Zertifikanten gereviewed und abgenommen werden.
Für uns war diese sehr hierarchische Art zu „Arbeiten“ arg gewöhnungsbedürftig, da wir aus dem agilen Umfeld stammen und mit anpacken wollten. Aber das ist genau der Unterschied zwischen Level C-Prüfung und Level B-Prüfung, auf den die Assessoren hinaus wollten. Um den Workshop zu bestehen, sollte man das auf jeden Fall berücksichtigen.
Abschluss Workshop Teil 1
Nach dem ersten Teil des Workshops wird von den Assessoren ein Zwischenfeedback gegeben. Dieses Feedback fiel in unserem Fall nicht gut aus. Besonders die Level B-Zertifikanten wurden stark für ihre Leistung kritisiert. Dabei mussten wir feststellen, dass die Assessoren die von der GPM gelehrten und in ihrem Ethikkodex festgehaltenen Feedbackregeln auch nicht immer berücksichtigen 😉 Das Feedback war sachlich in Ordnung, aber viel zu persönlich und emotional rübergebracht. Es hat nicht viel gefehlt und Tag 2 und 3 hätten ohne Axel und mich stattgefunden.
Im Nachhinein wurde uns von unserem Schulungsleiter berichtet, dass viele Zertifikanten den erste Workshoptag mit viel Kritik und „künstlichem“ Stress erleben. So liegt die Vermutung nahe, dass es dazugehört, und die Assessoren so überprüfen wollen, wie man unter Stress reagiert und mit schlechtem Feedback umgeht.
Workshop Teil 2
Bei diesem Teil des Workshops gibt es zwei mögliche Varianten. Entweder eine Fortführung des Schemas des ersten Tages, also das reine Erstellen weiterer Artefakte, oder das Vorbereiten und Durchführen einer Verhandlung.
Bei uns kam die Vorbereitung und Durchführung einer Verhandlung dran. Zur Vorbereitung der Verhandlung gehörte auch, einen Ressourcen- und Einsatzmittelplan zu erstellen. Das war aber wieder Aufgabe der Level C-Zertifikanten. Die Level B-Zertifikanten hatten die Aufgabe, sich über mögliche Konflikte mit dem Verhandlungspartner, Inhalte und natürlich die Ziele der Parteien Gedanken zu machen. Das Thema wird durch die Assessoren festgelegt und war in unserem Fall die Verhandlung über die Arbeitsaufteilung zwischen den Vertragsparteien. Nach der Verhandlung, wobei es da nicht auf das Ergebnis ankommt, muss die Verhandlung noch nachbereitet werden. Das heißt: Analyse des Ergebnisses und wie man sie den Vorgesetzten präsentieren/verkaufen würde.
Ablauf Workshop Teil 2
Das zunächst zum Inhalt. Wie schon erwähnt, es kommt bei der Verhandlung nicht auf das Ergebnis an, sondern darauf, dass man sie „fachlich“ richtig führt:
- Strategie für die Verhandlung festlegen und auch durchziehen (z. B. Good guy, bad guy).
- Verhandlungsrollen definieren und alle Teammitglieder einbinden.
- Kommunikations- und Meetingregeln festlegen und auf die Einhaltung achten.
- In jedem Team führt ein Mitglied Protokoll.
Bei uns lief es sehr harmonisch. Wir kamen schnell durch und konnten sogar eine Win-Win-Situation erreichen. Wie gesagt, man muss keinen Konflikt herbeiführen und ausstehen.
Leider hatten wir ein paar Teammitglieder, die Verhandlungen unter dem Motto „Gewinnen ist nur, wenn der Andere heult“ führen wollten. Es war auch die Aufgabe für uns als Level B-Zertifikaten so etwas zu unterbinden, und die Verhandlung gemäß der festgelegten Kommunikationsregeln zu führen.
Am Ende des zweiten Workshopteils bekamen wir erneut Feedback zu diesem Teil. Diesmal viel das Feedback durchweg positiv aus. Ob das wirklich an unserer Performance lag oder wirklich Methode ist, werden wir wohl nie erfahren 😉
Der Workshop gilt schon als bestanden, wenn 40 % der beobachteten KCIs als bestanden wurden. Das ist natürlich für den Zertifikanten nicht unbedingt messbar und so kann man nur „sein Bestes“ geben und hoffen. In unserem Fall haben von den 4 B-Level Zertifikanten alle 4 bestanden.
Danach ist erstmal Pause bis die Assessoren ihre Aufzeichnungen konsolidiert haben und somit feststeht, wer zu dem Interview zugelassen wird. Denn man wird nur zum Interview zugelassen, wenn man alle Prüfungsleistungen bis hier hin bestanden hat (schriftliche Prüfung und Workshop).
Interview
Das Interview ist der letzte Baustein der Prüfungstage für die Zertifizierung IPMA Level B. Es dient primär dazu, im Verlauf der bisherigen Prüfung liegen gelassene KCIs im Gespräch doch noch bestehen zu können. Das Interview ist zwar für 90 Minuten angesetzt, aber Inhalt und Umfang sind sehr individuell. Um es mit den Worten unseres Assessors zu sagen: „Naja… so lang wie man eben braucht.“ Wir waren nach jeweils 45 Minuten fertig.
Das Interview beginnt mit einer 10-minütigen Vorstellung des Projektes, das man im Report beschrieben hat. Diese Vorstellung kann man entweder mit den typischen PowerPoint-Folien oder anderen digitalen Präsentationsmedien halten. Alternativ war auch ein handgemaltes Big Pictures auf einem Flipchart eine super Möglichkeit. Da wir nichts vorbereitet hatten, haben Axel und ich uns für die zweite Variante entschieden und ein Big Picture unserer Projekte in der Pause angefertigt. Da man bei den digitalen Medien immer darauf angewiesen ist, dass man einen Beamer oder Fernseher zur Verfügung hat und alles funktioniert, ist die Wahl des analogen Big Pictures natürlich etwas unabhängiger, setzt aber voraus, dass man sich damit wohlfühlt, ein „Bild zu malen“. Die Flipcharts kamen allerdings gut bei den Assessoren an und es spielte gleich in das CE „Vielseitigkeit“ mit rein. 🙂
Es gab auch Zertifikanten, die weder eine Präsentation vorbereitet, noch ein Big Picture gemalt hatten. In diesem Fall wurde in darum gebeten das Projekt an Hand des magischen Dreiecks vorzustellen.
Ablauf Interview
Obwohl ich mündlichen Prüfungssituationen gar nicht mag, war das Interview sehr entspannt und locker. Man könnte sogar sagen, dass es Spaß gemacht hat, da zwischenzeitlich Scherze gemacht und gelacht wurde. Sowohl bei Axel, als auch bei mir gab es im Interview eine Frage bei der wir gedanklich feststeckten. Die Assessoren haben dann die Frage so oft umgestellt oder konkretisiert, bis man schließlich auf die Antwort kam. Bei mir war es die Frage „Aus welchen Kosten setzten sich ein Projektbudget zusammen.“ Ich stand im dem Moment total auf dem Schlauch und kam nur auf Sach- und Personalkosten. Nach ein paar Nachfragen fiel mir dann aber doch noch das Risikobudget ein.
Wie gesagt sind die behandelten KCIs sehr individuell. Ich hatte aber das Gefühl, dass sie auch Fragen stellten, die nichts mit den KCIs zu tun hatten z. B. meine Meinung zu dem Hybrid+ Zertifikat der GPM. Wie bei allen mündlichen Prüfungen kommt es aber auch sicher darauf an, ob man bisher überzeugen konnte und die Assessoren generell gewillt sind einen Zertifikanten bestehen zu lassen.
Wie liefen die Prüfungstage für die Zertifizierung IPMA Level B bei euch? Oder habt ihr noch Fragen? Dann schreibt einen Kommentar!
Lisa hat an der TU Braunschweig Informationssystemtechnik studiert. Sie arbeitet eigentlich schon seit Beginn im Projektmanagement (im agilen Kontext). Mittlerweile in der Rolle der Programmmanagerin angekommen hat sie 2019 ihre Zertifizierung nach IPMA Level B bestanden.
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